Mythos 06 – Befürwortung der weiblichen Genitalverstümmelung

Hat Muhammad die weibliche Genitalverstümmelung befürwortet?

Die Berichte über weibliche Genitalverstümmelung (Infibulation, teilweise Verschließung des menschlichen Geschlechts) gilt weithin als eine schwach verbreitete Tradition unter den islamischen Gelehrten, um nicht zu sagen legitimierbar durch die Quranische Lehre. Sie wird nur von einer winzigen Minderheit unter den Muslimen praktiziert. Wenn es sich hierbei um ein Teil des islamischen Glaubens gehandelt hätte, so wäre es in ausgeprägter Form von den Muslimen überall praktiziert worden, was nicht der Fall ist.

Eine überlieferte Aussage, die sich auf diesen Vorwurf bezieht, lautet:

„Beschneide nicht mehr als so viel, als wie es besser ist für die Frau und wünschenswerter für den Ehemann“ [1].

Kritiker behaupten ebenfalls, dass Muslime im Laufe der Geschichte mit diesem Brauch Sklaven folterten.

Diese Überlieferung des Propheten Muhammad ﷺ, in dem anscheinend die weibliche Genitalverstümmlung erwähnt wird, gilt weithin als eine schwach verbreitete Tradition unter den islamischen Gelehrten, (und ist nicht legitimierbar durch die Quranische Lehre). Kritiker rechtfertigen ihre Behauptungen über die Gültigkeit dieses Berichts mit der Behauptung, dass eine kleine Minderheit von Muslimen Genitalverstümmelungen in ihrer Glaubenspraxis beibehalten hat.

Diese Kritiker und auch solche fehlgeleiteten Muslime, die dieser Praxis nachgehen, sollten vorher die Meinung desjenigen Sammlers der Überlieferung beachten, der dieses Hadith erst in sein Sammelwerk aufgenommen hat, die Rede ist von Imam Abu Dawud. Er selbst erklärte, dass dieses Hadith (Überlieferung) als dubios anzusehen ist, „die Kette der Übermittler ist nicht stark genug. Außerdem wird diese Überlieferung nicht unmittelbar dem Propheten selbst zugeschrieben… Diesem Hadith fehlt es an Authentizität.“ Kurzum, keiner der Autoritäten bringt dieses Hadith in Verbindung mit dem Propheten Muhammad ﷺ

Tatsächlich haben unzählige alte islamischen Gelehrte nach Imam Abu Dawud die Authentizität dieses Hadithes (Berichtes) abgelehnt, so auch der ägyptische Gelehrte Ibn Hajar al-Asqalani, der in der sunnitischen Welt für sein Wissen über die Hadithe (Überlieferungen) sehr angesehen ist.

Yusuf ibn Abd Allah al Barr ist ein weitere großer sunnitischer Gelehrte aus Andalusien. Er schreibt über die Überlieferung: „Sie basiert auf einem Übermittler, dessen Berichtung nicht zu den evidenzbasierten gezählt werden kann.“ Weiter sagt er:

„Diejenigen, die die (weibliche) Beschneidung als Sunna ansehen, geben als Beweis das Hadith (Überlieferung) von Abu al-Mulaih an, dass sich einzig und allein auf die Aussage von Hajjaj Ibn Arta`ah stützt, der als alleiniger Übermittler nicht als Autorität angesehen werden kann. Die Übereinstimmung der muslimischen Gelehrten zeigt, dass die Beschneidung (nur) für Männer verpflichtend ist.“ [2]

Neuere Meinungen, etwa von Muhammed al-Shaukani aus Yemen, sind ähnlich:

„Zuzüglich zu der Tatsache, dass das Hadith keine Gültigkeit einer Quelle besitzt, gibt es auch keinen ausschlaggebenden Beweis her, das behandelte Thema wirklich zu beantworten.[3]

Wie auch der Vergangenheit, fehlt es in der heutigen Zeit nicht an muslimischen Gelehrten, die die Infibulation ablehnen. 2005 erklärte der Dekan der Al-Azhar-Universität Kairo, den Akt der Infibulation als ein strafbares Vergehen. In einer internationalen Islamkonferenz, die 2006, ein Jahr später in Kairo stattfand, schloss man sich zusammen, um die Infibulation zu verurteilen. In die Fußstapfen von al-Asqalani tretend, sprach Sheikh Ali Gomaa 2007 aus Ägypten eine Fatwa gegen Infibulation aus.  2008 sah man im ostafrikanischen Staat Kenia somalisch-islamische Gelehrte, die für ein Ende der Infibulation einstanden.  Im Januar 2010 verbaten 35 Islamische Gelehrte an der Westküste Afrikas von Mauretanien die Infibulation.

Kritiker deuten des Weiteren an, dass diese Praktiken angewandt wurden, um Sklaven zu foltern und zum Gehorsam zu erziehen. Dieser Behauptung kann man nicht entgegnen, ohne eine uralte Behauptung aufzurollen, in der die Frage gestellt wird, ob der Islam Sklaverei befürwortet oder nicht, welche wir in einem separaten Artikel behandeln. Bezüglich der Behauptungen, dass der Prophet Muhammed ﷺ die Genitalverstümmelung befürwortet hätte, zeigen also die Fakten und die Geschichte eine ganz klare Ablehnung.

Vielmehr handelt es sich bei der weiblichen Infibulation um eine kulturelle Tradition, welche im ostafrikanischen Raum praktiziert, wird [4]. Zwar leben viele Muslime in Ostafrika, jedoch auch Christen und Gläubige alter afrikanischer Religionen. Auch wenn diese Praxis von Muslimen begangen wird, hat sie keine Basis im Islam und wie oben erwähnt wird das Scheinargument mit den Überlieferungen widerlegt. Somit ist klar, egal ob Anhänger einer traditionellen Religion, des Islams oder des Christentums, diese Tradition wird kulturell und nicht islamisch gestützt.


[1] Abu Dawud, Buch: Sitten, Kapitel: Über Beschneidung

[2] Al-Tamhid li ma fi al-Muwatta min al-Ma‘ani wa al-Asanid (Shams al-Haq al-Azhim Abadi’s Aun al- ma’bud fi sharh Sunan Abu Dawud, XIV, 124) and Al-Tamhid li ma fi al-Muwatta min al-Ma`ani wa al-Asanid, XXI, 59)

[3] Nail al-Autar, Vol. I, pg. 139.

[4] „Numbers of women circumcised in Africa: The Production of a Total“